Ein Wintermärchen. Ein Sommermärchen. Zwei Weltkriege. Eine Wiedervereinigung. Das sind alles große Themen. Es gibt Ausschreibungen für Kunstprojekte und viele Ratgeber, die Deutsche Einheit „neu zu denken“. Wir wollen uns dem Thema anders nähern. Aus der Perspektive unseres eigenen Erlebens und dessen unserer Mitmenschen. Wie entwickelt sich unsere innere Verfasstheit, unsere Freundschaften, Beziehungen und unser Eingebunden-sein in unsere Gemeinde, unsere Lebenswelt?
Ja, es ist richtig, dass eine Polarisierung in unserer Gesellschaft und unserer Gemeinde direkt fühlbar ist. Wir haben noch die Anhäufungen der Wahlplakate der letzten Landtagswahl in Erinnerung. Die Auseinandersetzungen um die Wahl der/des Kulturbeauftragten. Nun gibt es sogar einen Beauftragen zu Verbesserung der Kommunikation in Radebeul. In dem jetzt vor uns stehenden Landrätinnen/ Landrats-Wahl hat sich das Fieber-Thermometer aber etwas beruhigt – sicher ein Verdienst von Kandidatinnen und Kandidaten.
Ich selbst – in einer dörflichen Umgebung nahe Marburg groß geworden – kann mich noch sehr gut daran erinnern, als Egon Bahr und Willy Brandt Anfang der Siebziger Jahre sich daran machten, das „Undenkbare zu denken“. Sie erfanden die „Ostpolitik“ mit der immer noch sagenhaft wirkenden Formel „Wandel durch Annäherung“. Meine Großkusine wohnte damals in Erfurt und ich kann mich noch lebhaft an Besuche in der heutigen Thüringischen Hauptstadt erinnern. Das Undenkbare beginnt ja im Kleinsten und uns verbanden das ungute Gefühl unnatürlicher Fremdbestimmung und gleichzeitig die Freude, gemeinsam ein Eis in der damals grauen Erfurter Innenstadt zu genießen.
Auch heute erleben wir eine solche Gefühlslage. Dabei vollzieht sich die Deutsche Einheit Jahr für Jahr, Stück für Stück immer weiter. Unsere Nachbarn setzten darauf – ob ausgesprochen oder nicht – dass diese weiter gelingt. Denn die Probleme haben sich inzwischen wahrlich verschoben. Unsere Kinder kaufen längst in Unverpackt-Läden und betrachten diese Welt als Ganzes. Sie sorgen sich um ihre Existenz und die ihrer Kinder.
Dabei blicken viele Menschen mit Unverständnis auf die „Friday’s for future“ Bewegung. Viele Menschen nehmen das heute genauso skeptisch wahr wie damals die „Ostpolitik“. Es erscheint zunächst „undenkbar“ – solange wir uns in den Verstellungen unseres gewinnorientierten Denkens befinden. Wir häufen immer größere Mengen an Vorräten bzw. „Geld“ an. Zwar verbrauchen wir diese auch teilweise, aber die angehäufte und sehr ungleich verteilte Geldmenge bricht derzeit Rekorde. Die Folge davon ist eine weitere Polarisierung der Gesellschaft bis hin zu einer zunehmenden Ungleichheit bei der Bildung.
Dafür hat die Gehirnforschung eine interessante neue Erklärung: wir sind ja alle per Computer miteinander vernetzt und das erzeugt Gesetzmäßigkeiten, die eben das verstärken, was in Computern gut geht: eine mittlerweile weltweite programmgesteuerte Vernichtung von Rohstoffen. Die Gehirne arbeiten nach dem Prinzip des geringsten Widerstands und darin hat – salopp gesprochen – Kultur keine Lobby. Auch der Umstieg auf E-Mobilität hilft da nicht weiter.
- Dieser Hang zum Anhäufen unbegrenzter Vorräte (bzw. Geldwerte) heißt: wir verlieren gegenseitiges Vertrauen. Je mehr Geld produziert wird, desto weniger Vertrauen herrscht in dieser Welt.
Das Gegenmittel gegen diese Weltweite Tendenz besteht aus dem Salz, das wir in diese Wunde streuen können. Denn diese globale Tendenz beruht auf zunehmender Fremdbestimmtheit. Dahinter stehen einerseits die Treiber der weltweiten Computerisierung (soweit es um Konsum geht). Andererseits sind es auch wir selber, wenn wir den Gesprächspartner nicht als Mensch, sondern als Objekt eintüten („das ist ja ein […]ler – mit dem kannst Du gar nicht anders reden“).
Doch, wir können. Und zwar, indem wir uns einfach einmal die Aufgabe stellen, zuerst auf uns selbst zu achten. Indem wir nicht zuerst auf die anderen schauen. Diese Art von Achtsamkeit geht immer mehr verloren. Ja, man weiß von Achtsamkeitspraktiken auch, dass sie anstelle zur Stärkung der eigenen Autonomie eher zur Akzeptanz der bestehenden Verhältnisse beitragen können.
Wenn wir dies aber dennoch versuchen, haben wir uns nicht nur dem Zugriff der Algorithmen der Konsummaximierung entzogen. Wir beginnen uns aus eigener Kraft eine neue Zukunft vorzustellen. Das aber hat schon immer stattgefunden, so eben auch mit dem Neubeginn vor 30 Jahren.
Auch da sagte uns bereits Max Weber und genauso die neuere Gehirnforschung: ein gemeinsames Bewusstsein entsteht immer dann, wenn wir der Fremdbestimmung widerstehen. Wenn wir fühlen, wie unser Empfinden und unsere Gemeinschaft zusammenwirkt. Wenn wir unsere Mitmenschen – egal, welcher Herkunft und welche „Voreinstellungen“ wir gerade wahrnehmen – als Menschen empfinden, mit denen man Volleyball spielen oder musizieren kann. Oder über unsere demokratischen Grundwerte streiten und verständigen. Wir sind dann zu neuen Dingen fähig – aber das weiß jeder Mensch für sich viel besser.
Das Undenkbare entsteht im nächstliegenden. Es wird sich entfalten, wenn wir einmal bewusst Abstand von all dem suchen, was uns eingeredet oder auch werbetechnisch vorgeschlagen wird. Niemand kann uns das nehmen. Wir können uns aber dazu einladen. Lassen Sie uns gemeinsam Bäume für unsere Zukunft und die unserer Kinder pflanzen! Welche Bäume sollten das sein? Kommen Sie und nehmen Sie teil! am Freitag, den 2.10. um 17:00:
Baumpflanzung am Rosa-Luxemburg-Platz – Eine Aktion der Stadt Radebeul auf Antrag der Fraktion Bürgerforum/Grüne/SPD
Wir möchten alle Bürgerinnen und Bürger von Radebeul dazu einladen!
Gäste sind herzlich willkommen!
Anwesend sein wird u.a. Frau Elke Siebert, Landratskandidatin von Bündnis90-Grüne/SPD/
Gerhard Luhn / Gruppe „Demokratie“ im Bürgerforum Radebeul