Wir gratulieren Gabriele Lorenz zu ihrer Wahl und wünschen ihre eine glückliche Hand für ihre neue Aufgabe. Wenngleich einige Stimmen die angeordnete Wiederholung der ersten Wahl durch OB Bert Wendsche als undemokratisch kennzeichnen, so hat er jedoch genau davon Gebrauch gemacht: von einem demokratischen Mittel, um absehbaren Schaden abzuwenden. Wir fragen uns nun: Wie wird es weiter gehen? Wir alle sind aufgefordert, Frau Lorenz zu unterstützen; wir müssen uns auf den notwendigen Aufbau von Vertrauen besinnen.
Es gibt sehr viel mehr engagierte Bürger, als man offensichtlich vermutet hatte. Das ist die gute Nachricht, und schon der daraus entstehende Impuls muss geduldig aufgenommen und zur Fortentwicklung unserer Stadt eingesetzt werden. Auch die Entschuldigung des Bürgermeisters Bert Wendsche bei beiden Bewerbern zählt dazu.
Die Auseinandersetzung um die angeordnete Wahlwiederholung des Kulturamtsleiters hat teils hohe Wellen geschlagen und wurde sogar in Österreich und der Schweiz besprochen. Letztlich haben sich viele Menschen gegen die starke Tendenz zur Polarisierung des Kandidaten ausgesprochen. Wir alle haben die heutigen Herausforderungen vor Augen: wichtige anliegende Projekte der Stadt, die weitere Integration geflüchteter Menschen, die Ausrichtung von Radebeul an Beiträgen zum Klima, auch der Umgang mit Corona. All dies verlangt Gehör und Vermerk in der kulturellen Agenda von Radebeul.
Insgesamt steigt aber die Sorge vieler Menschen, und mancherorts werden zielbewusst Ängste geschürt. Diese Wahl hat uns alle einen Blick auf die unter der Decke schwelenden Probleme beschert. Wie können wir gemeinsam Vertrauen aufbauen und Frau Lorenz und unsere Stadt unterstützen? Ausgangspunkt ist die Mobilisierung des Vertrauens in uns selbst.
Denn es wurde von uns einiges in letzter Zeit verlangt. Wir mussten (und müssen noch) Masken tragen, auf liebgewonnene Kontakte verzichten und viele Menschen haben teils große Verdienstausfälle zu beklagen. Nicht nur Ratgeber fordern eine Mobilmachung unserer eigenen Ressourcen: alleine schon der Heimunterricht aller Eltern für ihre Kinder fordert dies heraus.
Daneben suchen wir – es ist ja alleine nicht zu stemmen – Vertrauen in Gemeinschaften. Ob in Vereinen, Verbänden oder in der Familie: vielerorts können unsere Gemeinschaften viel zum Aufbau von Vertrauen in schwierigen Zeiten beitragen. Ob die unermüdliche Hilfe von Lehrern für geflüchtete Kinder, deren Probleme sich noch deutlich verstärkt haben. Oder bei der Unterstützung unsere älteren Mitbürgerinnen und Mitbürger, ob in Heimen oder in eigener Wohnung lebend.
Aber eines ist doch von jedem von uns spürbar. Das ist ein angegriffenes Grundvertrauen in unsere Welt. Unser Urvertrauen in diese Welt ist herausgefordert. Auch in persönlichen Gesprächen kann man unerwartet zu dem Schluss kommen, dass zunehmend jeder nur noch sich selbst der Nächste ist. Früher kannte man den Begriff der Spiritualität. Das klingt heute aber antiquiert. Auch unsere Kirchen befinden sich ja in einem Umbruch und suchen neue Wege.
Nun scheint es aber genau das zu sein, diese Art von Grundvertrauen, die jedem von uns seine Heimat, seine Stadt, seine Kultur gab und gibt. Keine Kulturamtsleiterin oder kein Kulturamtsleiter wird diese Aufgabe alleine meistern können. Obwohl ja viele – und auch Jörg Bernig – fordern, „dass wir einander auf dem kulturellen Feld mit Offenheit, Interesse, Kenntnis und Anerkennung begegnen und damit der Zerrissenheit unserer Gesellschaft entgegen steuern.“
Wir haben unter die Decke unserer Probleme schauen dürfen. Da liegt viel mehr verborgen, als wir alle wahrhaben wollen. Desto wichtiger ist es, dass wir alle unmittelbar daran gehen, Gabriele Lorenz und damit uns alle zu unterstützen.
Gerhard Luhn